Freitag, 27. Februar 2009

der verlorene sohn


vorbemerkung:
hier versuche ich schrittweise meine eindrücke über diese geschichte zu entfalten, dieser eintrag ist daher als entwurf zu sehen und in ständigem wachsen.


der originaltext

Das Gleichnis vom verlorenen Sohn

11 Und er sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne. 12 Und der jüngste unter ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Teil der Güter, das mir gehört. Und er teilte ihnen das Gut. 13 Und nicht lange darnach sammelte der jüngste Sohn alles zusammen und zog ferne über Land; und daselbst brachte er sein Gut um mit Prassen.
14 Da er nun all das Seine verzehrt hatte, ward eine große Teuerung durch dasselbe ganze Land, und er fing an zu darben. 15 Und er ging hin und hängte sich an einen Bürger des Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten. 16 Und er begehrte seinen Bauch zu füllen mit Trebern, die die Säue aßen; und niemand gab sie ihm.
17 Da schlug er in sich und sprach: "Wie viel Tagelöhner hat mein Vater, die Brot die Fülle haben, und ich verderbe im Hunger! 18 Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir
19 und bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße; mache mich zu einem deiner Tagelöhner!" 20 Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Da er aber noch ferne von dannen war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn, lief und fiel ihm um seinen Hals und küsste ihn. 21 Der Sohn aber sprach zu ihm: "Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße." 22 Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: "Bringt das beste Kleid hervor und tut es ihm an, und gebt ihm einen Fingerreif an seine Hand und Schuhe an seine Füße, 23 und bringt ein gemästet Kalb her und schlachtet's; lasst uns essen und fröhlich sein! 24 denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden." Und sie fingen an fröhlich zu sein.
25 Aber der älteste Sohn war auf dem Felde. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er das Gesänge und den Reigen; 26 und er rief zu sich der Knechte einen und fragte, was das wäre. 27 Der aber sagte ihm: "Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat ein gemästet Kalb geschlachtet, dass er ihn gesund wieder hat." 28 Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn.
29 Er aber antwortete und sprach zum Vater: "Siehe, so viel Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten; und du hast mir nie einen Bock gegeben, dass ich mit meinen Freunden fröhlich wäre. 30 Nun aber dieser dein Sohn gekommen ist, der sein Gut mit Huren verschlungen hat, hast du ihm ein gemästet Kalb geschlachtet." 31 Er aber sprach zu ihm: "Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein. 32 Du solltest aber fröhlich und gutes Muts sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist wieder gefunden." ( nach Lutherbibel 1912 )

zugang

es darf nicht nötig sein, dass ich mich in die kulturgeschichte des orients vor zweitausend jahren hineinknie, um einen zugang zu dieser geschichte zu finden. vielleicht ist dieser sachliche weg eher ein hindernis, diese durch und durch emotionale szenen zu erfassen.

überschriften

wegen ihrer vielfältigkeit könnte diese geschichte viele andere titel haben, die jeweils einen der wesentlichen aspekte herausstellen ...

der gefundene und der verlorene sohn
der verlorene vater

es sind viele interpretationen möglich, vielleicht sogar auch falsche, missbräuchliche, obwohl die geschichte sich dagegen wehrt, aber der unangemessenste umgang damit ist sicher, dass man sich ihren kernaussagen verschließt.

sehr erstaunlich, die kürze dieser geschichte - und der mächtige inhalt, jeder satz thema je eines buches, über glauben, liebe, pädagogik, theologie, ...

was uns diese geschichte lehrt

ein sprichwort sagt: "reisende soll man nicht aufhalten!" und es meint, wer mit dem herzen nicht mehr da ist, den soll man loslassen. und der versuch, diese zu halten, ist doch nichts anderes, als eine hülle zu halten, den schein zu wahren, und das halten provoziert doch nur mehr den drang des innen ungehaltenen, sich auch außen loszureißen.

war dieser weg in die gosse nötig, damit die kruste um das herz zerbrochen wurde, die die liebe des vaters unspürbar ließ?

und der bruder zuhause, hätte der nicht genauso einen ausbruch aus traditionen nötig gehabt, um zu spüren, dass die liebe des vaters und zum vater sich nicht in formen erschöpft, sondern im täglichen, herzlich zugeneigten umgang?

kinder in der pubertät sind solche reisende, denen man gewalt antut, wenn man sie aufhält in ihrem reisen in ihre welt, wo sie ihre erfahrungen machen müssen, um durch gute erfahrungen zu reifen, und zur not durch schaden klug zu werden. aber außerhalb dieser geschichte, im realen leben, sind es eher die mütter, die ihre kinder vor diesem notwendigen schaden bewahren wollen, indem sie sie halten und nicht loslassen. erstaunlich, dass in dieser geschichte die mutter nicht auftritt. vielleicht weil dieser vater wie eine mutter liebt?

liebe ist unteilbar

"wie kann jemand sagen, dass er mich liebt, wenn er seinen bruder nicht liebt?"

wie kann jemand sagen, dass er den vater achtet, wenn er dessen sohn, den eigenen bruder, miss-achtet? das ist nur äußere form, und im herzen lebt unzufriedenheit, missgunst, rivalität, eifersucht über das plötzliche glück des heimgefundenen sohnes, das ihm selbst nicht zugänglich ist.

3 Kommentare:

  1. Kennst du das Buch von Henri Nouwen: Nimm sein Bild in dein Herz? Er gibt darin Auslegungen zum gleichnis, die seinesgleichen suchen...
    Ich bin auch ganz deiner Meinung wegen der Ueberschriften. Aus dem Kontext heraus könnte man auch schreiben: 3 Gleichnisse vom Suchen, Finden und Freuen. Oder sonst: Der Vater und seine beiden Söhne; der barmherzige Vater und seine verlorenen Söhne, etc.
    Gute Nacht!

    AntwortenLöschen
  2. pietro, vielen dank für deine reaktion!

    ja, das buch habe ich, aber ich habe es noch nicht gelesen. bevor ich das "original" nicht durchdrungen habe, will ich keine sekundär-literatur lesen, denn ich entdecke in diesen wenigen worten immer noch viel mehr, als ich im moment fassen und auch ausdrücken kann. ich halte mich mit lesen etwas zurück, wenn ich befürchte, dass ich durch die augen eines anderen eine eingeschränkte sicht bekomme.

    nebenbei: das bild hängt über meinem bett, ich finde es sehr berührend, aber es ist bis jetzt nur ein bild, was es ausdrückt "lebt" noch nicht sehr für mich.

    AntwortenLöschen
  3. Vielleicht habe ich mich etwas ungeschickt ausgedrückt, denn es geht nicht so sehr um Auslegungen, sondern um Erklärungen zum Bild von Rembrandt, die der Annäherung dienen.
    Was ist für dich der Kern, der Gehalt des Gleichnisses? Für mich sind sie in den Versen 20b und 28b zu finden. Aber manchmal sind die Uebersetzungen nicht so genau, "jammerte" würde besser "empfand Erbarmen" oder "sein Inneres wurde bewegt" heissen...

    AntwortenLöschen